Tierärzte und Wolkenschafe

Letzte Woche noch habe ich in meinem Beitrag ein Bild von der lieben, süssen, kleinen Maximiliane gezeigt. Und wusste nicht, dass dies eines der letzten Bilder von dem kleinen Mädchen sein wird. Wir sind alle sehr bestürzt und traurig. Sind aber sehr sicher, dass sie zu den auserwählten, besonderen Schafen gehört, die nach ihrem irdischen Leben ab und an als Wolkenschaf über den Himmel ziehen dürfen. So wie Frau Müller, die bestimmt eine grosse, weisse Cumulus-Wolke ist. Wenn ihr also mal eine kleine, grau-schwarze Gewitterwolke seht, eine ganz kleine – dann ist es bestimmt unsere Maxi, die gerade unterwegs ist und die Welt aus dieser Sicht erkundet.

Wir Schafe und auch ihre Besitzer, wir sind ja sehr auf die Tierärzte angewiesen. Und sollten ihnen glauben und vertrauen können. Und wenn man einem Tierarzt bereits am Telefon ein Problem schildert und er sich nicht sicher ist, dann könnte er doch nochmals kurz nachsehen. So zumindest hat das der Tierarzt an Nicoles früherem Wohnort gemacht, im Notfall fremden Rat eingeholt. Das war aber immer bei sehr exotischen Dingen, die kaum mal vorkommen. Jenem Tierarzt hat sie voll vertraut und hat lange gesucht, bis sie hier auch einen gefunden hat, dem sie die Gesundheit ihrer Tiere, also die von uns Schafen, aber auch dem ganzen anderen Getier, anvertrauen kann.

Nun hatte dieser Tierarzt, wie alle, dann doch auch mal Urlaub. Hat er sich auch redlich verdient. Dummerweise haben drei von uns Schafen genau in dieser Zeitspanne ein Bandwurm-Problem bekommen. Mindestens drei mit sichtbaren Beweisen, Frauke, Rosemarie und meinereiner. Der Ronja-Bub und der Anneliese-Sohn hatten ein wenig abgenommen, das Bambi sah auch nicht ganz fit aus. Es ging keinem wirklich schlecht, es gab nur kleine Auffälligkeiten. Was tun – der Tierarzt hat noch fünf Tage Urlaub. Aber so lange warten? Eine Wurmkur, das sollte doch jeder können. Also wurde die Vertretung angerufen. Das Problem geschildert. Bandwürmer. Okay, er kommt. Auf dem Hof hat Nicole dann nochmals von Bandwürmern gesprochen, wollte ihm auch den Beweis zeigen.

Nicole war erstaunt, dass der Tierarzt eine Spritze aufzieht, sie (und wir auch) kennt das nur als Eingabe ins Maul – das Mittel schmeckt gar nicht so übel, viele von uns versuchen immer, nochmals eine Portion zu bekommen. Aber da Nicole uns zum einen kennt, zum anderen mit Markierstift kennzeichnet, ist das nicht möglich. Jetzt bin ich abgeschweift…. also, der TA zieht eine Spritze auf. Nicole runzelt die Stirn und fragt, ob das wohl das richtige Mittel ist, ob das wirklich gegen Bandwürmer sei. Jaja, doch, meinte der TA. Der hat das ja studiert, der ist auch nicht neu, dem sollte man glauben können. Wir Schafe bekommen also alle unsere Portion und es sollte gut sein. Wir verabschieden uns freundlich vom TA.

Irgendwie war Nicole aber doch völlig irritiert, als sie auf dem Behandlungszettel den Namen des Mittels gelesen hat. Und hat dann mal recherchiert, via Google. Da findet man ja vieles und nicht alles stimmt, aber sie hat direkt auf der Seite des Herstellers nachgeschaut. Ah ja. Das Mittel wirkt fast gegen alles. Aber NICHT gegen Bandwürmer. Also den Tierarzt angerufen, er war nicht gleich erreichbar, sie hat ihm ausrichten lassen, was sie ermittelt hatte. Irgendwann hat er zurückgerufen. Sie hätte ja nicht explizit von Bandwürmern gesprochen (dafür gibt es aber Zeugen!), und das Mittel würde halt gegen alles wirken, auch ein bisschen(!) gegen Bandwürmer(!). Aber wenn sie etwas nur gegen diese hätte haben wollen, dann hätte sie es doch sagen müssen.

Okay, das Kind war in den Brunnen gefallen, die Wartezeiten des falschen Mittels haben nun die Milchplanung und anderes völlig umgekrempelt. Das gewünschte Mittel hätte übrigens null Tage Wartezeit gehabt. Aber das ist nun mal passiert. Ärgerlich, aber was soll man tun. Wir hegen keine so freundlichen Gedanken mehr, wenn wir an diesen TA denken.

Am nächsten Tag hatte die kleine Maxi dann plötzlich Durchfall. Eine toxische Reaktion? Schon möglich. Was nun? Nochmals die Vertretung rufen? Und dann vielleicht ein Mittel gegen was-weiss-ich bekommen? Ansonsten ist die Kleine fit, frisst gut (nur das Durchfallpulver mag sie nicht so recht), hüpft munter als Begleitung von Romy mit auf den Melkstand. Gemolken werden muss ja, die Milch ist halt nur nicht für den Verzehr geeignet. Wir freuen uns alle über das kleine Mädchen. Also abwarten und beobachten, bald ist der richtige Tierarzt wieder da. Also, Maxi wurde natürlich nicht gemolken, sie war nur Begleitung.

Nochmals zwei Tage, der Durchfall geht nicht weg. Jetzt wird es kritisch, aber morgen naht die Rettung. Und Maxi ist immer noch verhältnismässig munter. Am Tag darauf ist sie recht matt, aber sie hat dann Aufbauspritzen bekommen, der Urlaub des Tierarztes des Vertrauens war endlich vorbei. Der hat auch noch eine Kotprobe genommen und auf Kokzidien untersucht, hätte ja sein können. War aber nicht. Wir haben derweil auf die Wirkung der Spritzen gewartet.

In der darauf folgenden Nacht ist Maxi morgens um 03:45 für immer eingeschlafen.

Maxi zu Ehren hat Nicole eine neue Rose in den Garten gepflanzt, Scented Memory. Sie macht sich Vorwürfe und fragt sich, was sie hätte tun können. Wie sie in Zukunft so etwas verhindern kann.

PS: Wir haben nun doch noch unsere leckere Bandwurm-Wurmkur erhalten.